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NFTs - Mein (P)Review
NFT
In den letzten Monaten und insbesondere Wochen wird in verschiedenen Kanälen viel und euphorisch über NFT’s berichtet. Ich wollte hier die Gelegenheit nutzen, um ein paar persönliche Erfahrungen und Sichtweisen zum Hype um die non-fungible Tokens zu teilen.
Intro - was sind NFT?
Hier einführende Erklärung von t3n:
“Im Zusammenhang mit der Blockchain ist der Begriff Token am ehesten mit der Nutzung als Vermögenswert verknüpft. Ein Token kann aber auch einen Vermögensgegenstand oder ein Wirtschaftsgut repräsentieren oder eine digitale Entsprechung eines realen Guts sein. Bezogen auf eine Kryptowährung sind alle Token fungibel, also austauschbar. Das bedeutet, jeder Token repräsentiert einen gleichen Vermögenswert. Es ist egal, welchen konkreten Token ihr habt. Er ist das gleiche wert wie der Token eines beliebigen anderen Inhabers. So funktioniert auch unser Geld. Welchen konkreten Zehn-Euro-Schein ihr verwendet, ist egal. Ihr könnt auch zwei Fünf-Euro-Scheine oder fünf Zwei-Euro-Münzen oder eine beliebige Kombination verwenden. Die Mittel, in diesem falle Zahlungsmittel, sind austauschbar. Bei den NFT ist genau das nicht der Fall. Non-fungible, also nicht austauschbare Token repräsentieren ein ganz konkretes Asset und sind damit einzigartig. Lediglich die Technik der Speicherung auf der Blockchain haben sie mit den Währungs-Token gemein. NFT eignen sich damit ideal für Assets, von denen es nur eines oder wenige gibt. Das sind derzeit etwa digitale Sammelkarten, Spielecharaktere, virtuelle Landstriche in virtuellen Welten oder die sogenannte Krypto-Kunst. Es könnten aber auch Personalausweise, Impfpässe oder andere wichtige Dokumente über die Blockchain gespeichert und gesichert werden.” Zitat via t3n
Das Monopol-Magazin bemerkt:
“Das NFT ist auf der Blockchain gespeichert, es ist einzigartig, authentifiziert und fälschungssicher. Kurz: Ein NFT dient als Echtheitsnachweis für jede digitale Datei. Bisher hatte digitale Kunst nicht den selben Wert wie etwa Malerei oder Skulptur, weil sie einfach geteilt und kopiert werden konnte. Und wie man am Beispiel von Beeple sieht, der jeden Tag eine Arbeit auf Instagram veröffentlicht, kann man sich die Kunst sowieso jederzeit im Netz ansehen und auf dem eigenen Rechner speichern. Endlich also können Künstler:innen ihre Memes und Gifs, Animationen und Renderings verkaufen.” Zitat via monopol-magazin
In dem Thread “Demystifying NFTs” von Naval via Twitter heisst es: “NFTs tokenize all the things. We are going from a world where every protocol has a token, to where every (decentralized) application has a token, to where every valuable digital representation of an object or person has a token.” via Naval / Twitter
Die Anwendung von NFT’s ist übrigens nicht auf den Kunstmarkt beschränkt (dazu gleich mehr). Doch ist es aktuell gerade die Kunst, die NFT’s zu einem Hypethema macht.
Es wird derweil viel gerätselt und orakelt, ob das dann “das Ende der Kunstwelt ist, wie wir sie kennen” (vgl. ‘Is it the end of the artworld as we know it?’ via artmagazine ). Manche meinen, “NFTs sind keine Revolution im Kunstmarkt. Sie sind eine Simulation des Kunstmarktes. Und als wollte die Szene den Kunstbetrieb noch demütigen, verkaufte Nifty Gateway am vergangenen Donnerstag Bilder, die ein Roboter vom Modell Sophia mit künstlicher Intelligenz und mechanischem Arm gemalt hatte für über eine Million Dollar. Alleine ein Selbstporträt brachte mehr als 680 000 ein.” via sueddeutsche.de.
So demonstriert manch ein Zeitgenosse Unverständnis, wie immer, wenn neue Technik Adaption durch die Kunst findet. Mancherorts wird umgekehrt von einer Revolution im Kunstmarkt gesprochen: (’Crypto Art: Wie fälschungssichere digitale Originalwerke den Kunstmarkt revolutionieren’ … via businessinsider.de oder ‘Wie NFTs gerade den Kunstmarkt revolutionieren’ via tagesspiegel ).
Klar ist, NFT’s geben Künstlern neue formale und monetäre Optionen. Zudem geben die NFT-Feature der digitalen Arbeit etwas zurück, was bis dato nur in der analogen Kunst konventionell verwendet wurde - das Zertifikat auf die Echtheit und Autorschaft. Wohin die Reise ansonsten führt, bleibt noch abzuwarten.
Kritik
Es gibt zudem zahlreiche Kritiker des NFT-Trends, die einen befürchten Wertverlust, die anderen negative Folgen für das Klima und die Umwelt.
Manche Akteure und Gatekeeper des tradierten Kunstmarktes sehen in dem neuen Trend etwa offenbar eine erhebliche Konkurrenz. Die wehren sich dagegen disrupted zu werden. Denn nicht alle Kulturindustriellen, nicht jedes Auktionshaus und nicht jeder Galerist sind flexibel genug, um sich jedem Trend entsprechend verlustfrei anzupassen. Auch ist das Neue immer eine Konkurrenz für das Alte. Aufmerksamkeit wird von A nach B verschoben. Dadurch verlieren implizit solche, die im Bereich A inzwischen einen Status erreicht haben. Ob klassischer Maler oder Kurator.
Es treten zusätzlich viele neue Akteure in den Markt ein, wie Metakovan (siehe artnet.com oder substack ), der mitunter etwa 69 Millionen $ für die oft zitierte Beeple-Arbeit hinlegte. Aktionen wie diese generieren ganz offentliche viel Aufmerksamkeit und in Folge erhebliches Durcheinander … neue Spekulanten, neue Goldgräberstimmung und viele lange alte Gesichter können beobachtet werden. Dass neben allen Nachrichten zu Rekordsummen auch einige Wortmeldungen trotziger Neider den Buzz befeuern, ist nicht überraschend.
Die größte Kritik richtet sich jedoch an den technologischen Unterbau, der (je nach Blockchain mehr oder weniger) negative Folgen für die Umwelt mit sich bringt. So sei Kryptokunst laut Golem kurzum eine schlechte Idee.
EINSCHUB: Hier möchte ich persönlich in Richtung Golem allerdings kommentieren, dass die Stellungnahmeübrigens nicht so konsequent erscheint, wenn NFT Kunst und Kryptowährung einerseits kritisiert, gleichzeitig aber Werbe-/Affiliate-Umsätze auf Basis von Kryptowährungsinvestment-Anzeigen generiert werden (gelb markierte Anzeige):
In der Sache hat Golem aber bisweilen Recht: dass nämlich Technologie wie die Ethereum-Blockchain in der aktuellen Ausbaustufe sehr viel Energie benötigt. Z.B. dann, wenn ein Bild “geminted” wird. Aktuell arbeitet Ethereum sehr ungünstig, was den Energiebedarf und die benötigte Rechenleistung für solche Operationen / Transaktionen betrifft. Mit Ethereum 2.0 (Eth2) sollen hier Änderungen (insbesondere eine Umstellung auf einen proof-of-stake-Ansatz) vorgenommen werden, die zu einem deutlich geringeren Energieverbrauch führen sollen. Mehr dazu auch in der Vision von Eth2.
Was ist mit Green NFT?
Die Tezos-Blockchain verwendet heute bereits proof-of-stake und soll im Vergleich zu Ethereum erheblich weniger Energie benötigen. Cardano ist ebenfalls ein prominenter proof-of-stake Wettbewerber für Ethereum.
Die mir bekannten Tezos Plattformen sind https://kalamint.io/ und https://www.hicetnunc.xyz, die aus meiner Sicht bereits gut funktionieren, aber stellenweise noch auf ein rudimentäres Featureset beschränkt sind. Ich sattle mit meiner Arbeit mehr und mehr auf Tezos um (Link zu meinem hicetnunc Portfolio), da ich den Ansatz wirklich sehr gut finde und mich das Argument des geringeren Energiebedarfs komplett überzeugt.
Der Buzz zu nicht-ETH NFT lässt sich via Twitter bspw. über den tag #CleanNFT abgreifen. Mehr los ist allerdings aktuell noch auf der Ethereum Blockchain. Ich fände aus verschiedenen Gründen gut, wenn sich hier ein Trend in Richtung Tezos abzeichnet. Dazu beitragen wird z.B. sicherlich der angekündigte Tezos (bzw. cross-chain) Support von Opensea (einer der größten NFT Marktplätze), der laut einigen Reddit-Kommentaren für Ende April erwartet wird. Für aktive Künstler ergeben sich dann weitere Vorteile - nämlich der gas-prize für Transaktionen via Ethereum ist oftmals schmerzhaft hoch. Tezos bietet hier ganz andere Rahmenbedingungen, so dass es nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch kostenseitig attraktiver ist, auf die Tezos-chain zu wechseln.
Fazit zu den Kritikpunkten:
Zu der Kritik an NFT’s im Kontext des Energieverbrauchs und der damit einhergehenden negativen Folgen für die Umwelt kann man sagen, dass gegenwärtig definitiv zu viel Energie für NFT’s und andere Anwendungsfälle verbraucht wird. Es gibt aber erhebliche Unterschiede, die hier zu beachten sind! Die Energiebilanz der eingesetzten Technologien und Konzepte unterscheidet sich gegenwärtig deutlich. Meine Empfehlung für Neulinge wäre demnach, direkt auf eine Blockchain wie Tezos zu setzen.
Ich frage mich (um zum Thema der NFT’s und dem Anwendungsbereich der Kunst zurückzukommen) darüberhinaus, ob es überhaupt sinnvoll erscheint, gerade der Kunst den Zugang zu neuen Potentialen aus (guten) moralischen Gründen verwehren zu wollen, wenn gleichzeitig Startups und andere Projekte in diesem Bereich gefeiert oder gefördert werden. Sprich, nicht NFTs sollten Gegenstand der Kritik sein, sondern die Energiebilanz der technischen Konzepte in Bezug auf sämtliche Anwendungsfälle.
Aus meiner Sicht bietet die Blockchain-Technologie (fernab der Kritikpunkte) in verschiedener Hinsicht enormes Potential für die Gesellschaft. Gerade deshalb halte ich es auch für zentral wichtig, diese Technologie auf nachhaltige und erst so zukunftsorientierte Füße zu stellen. Dazu gehört unbedingt, dass die benötigte Energie auf ökologisch verträglichen Technologien gewonnen wird, Infrastrukturen “grün” und immer stärker klimaneutral betrieben und dass grundlegende Konzepte bereits energieeffizient gedacht werden. Dazu allerdings gehört auch, dass Technologie gesellschaftlich breiter gefächerten Anwendungsfällen offensteht und von verschiedenen gesellschaftlichen Subsystemen untersucht und im Sinne einer Teilhabe mitentwickelt werden kann. Dass der Kulturbereich und tausende Kreative nun in Teilen von dem Zugang zu Technologie profitieren können und neue Möglichkeiten der Anwendung untersucht werden, halte ich daher nicht nur für positiv, sondern essentiell.
Potential für die Kreativcommunity selbst
In den letzten Wochen und Monaten sind einige Beispiele immer wieder Gegenstand der Schlagzeilen gewesen, wenn es um den Verkauf von Kunstwerken geht. Dazu zählen die Arbeiten von dem bereits genannten Beeple ebenso wie etwa die Projekte CryptoKitties, CryptoPunks oder die Hashmasks. Dies liegt natürlich auch gerade daran, dass die prominenten Kunstmarktakteure, wie die renommierten Auktionshäuser (etwa Christie’s), inszwischen fett in den Trend eingestiegen sind und in Folge die Preise geradezu explodierten.
Oft wird daneben natürlich gerne von den prominenten Kulturtreibenden wie den Kings of Leon oder den Absichten von Damien Hirst berichtet. Hierzulande vielleicht auch über Scooter-NFT’s. Das fördert den Wandel, aber nährt natürlich auch die Blase.
Aber fernab der Prominzenz und des Hypes sehe ich aber ganz andere Entwicklungen …
Künstler und Kreative, die bislang “nur” digitale Arbeit machten, erfahren eine neuartige Wertschätzung. Da ihre Arbeiten bislang stets unter dem leiden mussten, was ihnen Walter Benjamin in “Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit” als Bürde auferlegt hatte: dem Verlust oder der Verkümmerung des Auratischen. Ein wenig ist also das “Minten” eines NFT’s auch als ein Befreiungsschlag zu verstehen oder - als eine Rückeroberung des Auratischen durch Metadaten und technologisch ermöglichte Verknappung.
Natürlich … ganz ist das, was Benjamin hiermit meinte, durchaus nicht zurückgewonnen oder behoben. Und doch - es ist etwas repariert worden.
Die NFT-Autoren und Künstler der #NFTCommunity (so einer der hash-tags auf Twitter) haben sich ein neues Selbstbewusstsein erarbeitet. Das ist gut. Denn eine ungeheure Vielzahl kreativer und talentierter Künstler, die die Sinneseindrücke unserer geteilten Realität gestalten, wurden im Bereich des Digitalen schon seit den 90ern (oder noch früher) absolut unter Wert gehandelt. Ihr Werk wurde (wenn es gut lief) ins Handwerkliche degradiert - ins Kreativhandwerk also maximal. Dabei ist Ihr Tun nicht allein oftmals aufwändiger, sondern auch oft anspruchsvoller, berührender, vielsagender. Denn alte Medienformen haben ihre formalen, ontologischen und kommunikativen Grenzen. So das ein engstirniges Festhalten (oder besser Verteidigen) des Einstigen nicht in Gänze gegenwärtig sein konnte. Da ich schon immer analog zeichne, einige Ölbilder gemalt habe, medienwissenschaftlich-informatisch ‘studiert’ bin und seit den 90ern die Szene im Auge hab, erlaube ich mir dieses Urteil. “Gutes” gibt es in der alten und der neuen Welt. “Schlechtes” auch.
Für die Kultur ist der NFT-Trigger also der mögliche Impuls eines Befreiungsschlags. Hier ist einiges möglich, wenn sich der Blick in Richtung Möglichkeit gerichtet wird. Das Neue wird (für den Kulturbetrieb) zudem salonfähig, wodurch die Grenzen zwangsweise neu ausgelotet werden müssen. Ich hoffe hier also auf viele spannende Entwicklungen und bin sehr sicher, dass viel Gutes entstehen wird.
Bei der sonstigen Bewertung des Hypes bin ich noch vorsichtig. Ich glaube, dass wir aktuell auf die ersten Mobiltelefone starren, um eine Metapher zu bringen. Was genau daraus entsteht, kann ich aktuell nicht sagen. Wohl aber, dass manches normal werden und bleiben wird.
Und dies wird vor allem den Schaffenden zu verdanken sein.
Plattformen und Anwendungen
Es gibt einige Plattformen, Tools und Markplätze. Doch aktuell sind die meisten Ansätze noch (wie oben bereits erwähnt) Ethereum-basiert.
Es existieren kuratierte Kunstplattformen für Künstler und Interessenten wie foundation.app, Markplätze wie opensea und viele andere einschlägige Plattformen. Ich möchte an dieser Stelle nicht alles auflisten.
Nennenswert finde ich persönlich hicetnunc und die Vorstöße in Richtung proos-of-stake Blockchain.
In virtuellen Umgebungen oder Metaversen werden viele Ausstellungen veranstaltet und Museeumsmeilen - etwa bei cryptovoxels.com oder im decentraland.
Da NFT’s aber nicht immer nur Kunst, sondern vielleicht auch nur Collectibles oder verknappte / rare Objekte innerhalb eines Spiels oder anderen Kontextes sein können, gibt es noch sehr viel mehr Plattformen unterschiedlichster Ausprägung. Gestern wurde bspw. viel Land auf sandbox versteigert. Doch wer hier mitbieten will, sollte nicht mit leerer Tasche (bzw. leerem Wallet) an den Start gehen ;) Parzellen in Decentraland und andernorts können preislich mit Grundstücken in der realen Welt durchaus mithalten.
Was mir persönlich noch fehlt, sind die soliden Ideen für den breiteren Nutzen von NFT. Z.B. NFT-basierte Testamente, Lösungen im Kontext von Corona (z.B. eine verlässliche und öffentlich zugängliche Mutations- oder Impfungs-Library) usw. Die Verschränkung von digitalen Informationen mit anwendungsbezogenen Metadaten, die “Verbriefung” von Echtheit und Autorschaft einerseits und die Möglichkeit, neue Abläufe transparent als smart contracts zu entwerfen und zu automatisieren andererseits, lassen völlig neues Potential entstehen, was nicht durch Hypes verdeckt werden darf. Dieses Potential wird noch weiter verstanden werden müssen und einige Kinderkrankheiten müssen noch ausgeräumt werden.
Ich bin sehr gespannt.
PS: Wer ein paar von meinen NFT-Portfolio’s verfolgen will, nutze gerne die Verlinkung hier. Ab und an gebe ich ein paar freie und limitierte NFTs auf Tezos-Basis als incentive für die bessere Technologie raus ;)
Also, stay tuned!
… und was sagt eigentlich ttt zum Thema?
“Ob digitale Kunst den Markt wirklich revolutionieren wird? Im Moment sieht es ganz danach aus.” via daserste / ttt