Angst liegt in der Luft

… so scheint es.

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Es gibt sicherlich aktuell einige gute Gründe für Verunsicherung und Sorge. Menschen sind gestorben, Jobs sind unsicher geworden, Mieten können nicht mehr bezahlt werden und der Lockdown hat zu ungewohnten Unfreiheiten geführt. Um dies ins richtige Bild zu rücken, muss man auch dazu sagen, dass in anderen Teilen der Welt die Folgen eines Lockdowns weitaus katastrophalere Folgen haben oder noch haben werden - z.B. Hungersnot.

Aber muss man sich hier deshalb gleich den Aluhut aufsetzen?

Verschwörungstheorien und Stimmungsmache konnte man, wie bei vielen anderen Gelegenheiten, ja auch für die Zeit der Corona-Krise erwarten. Mich erschreckt jedoch, dass Menschen durch die Krisenerfahrung offenbar anfällig für z.T. abstruseste Theorien geworden sind, von denen ich es zuvor nicht erwartet hätte. Ist es blanke Angst, Kulturpessimismus neuer Qualität in Zeiten der “Grenzen des Wachstums” oder nur die eine situative Labilität aufgrund der Erosion subjektiver Komfortzonen, was die Menschen nun so angreifbar macht? Vielleicht sind es ja auch nur wieder mal die Sozialen Medien und nicht die Leute selbst?

Man weiß es nicht …

Menschen scheinen aber dazu zu neigen, das “Übel” einfach personifizieren zu müssen. Man benötigt einfach Superschurken, böse Mächte, strippenziehende Milliardäre oder auch irgendwelche Systeme, um sich das Erlebte oder wenigstens die eigene Angst erklären zu können. Alles andere macht einen selbst ansonsten ja zu allem Überfluss vielleicht auch noch mitschuldig an dem, was man beklagt - und das ist unbequem. Einfache Erklärungen mit klaren Antagonisten sind da viel zweckdienlichler in dieser von Komplexität geplagten Welt. Über fehlende Fakten oder Beweise im Zusammenhang mit so mancher Behauptung kann man da durchaus hinwegsehen, solange die Verbindung zu dem “der hinter alledem steckt” gezogen werden könnte. Denn das macht alles ein wenig erträglicher, weil einfacher.

Die Verunsicherung benötigt auf jeden Fall ein Ventil. Erst recht wenn der Spargel knapp wird!

Wenn wohlstands- und freiheitsverwöhnte Mittelständler Angst vor der Zukunft haben, dann kann ich dies durchaus voll akzeptieren. Wenn sie aber aufgrund der ersten Anzeichen für Verunsicherung Populisten oder Verschwörungstheoretikern jeglicher Art zu deutlich mehr Aufmerksamkeit verhelfen, dann kann ich dies nicht akzeptieren.

Denn wie man weiß: Angst führt zur dunklen Seite der Macht. In unserem Falle (und dies gilt für viele andere Länder auch) führt Angst z.B. zu durchgeknallten Populisten und Faschisten, die dann plötzlich gewählt werden. So einen Mist können wir uns aber nicht leisten, Freunde! Wir benötigen keine Reaktionären oder Faschos - nie wieder, um genau zu sein!

Nach Corona wird es übrigens weiterhin den Klimawandel geben, ebenso wie vieles andere, auf das wir reagieren müssen. Darüber sollte man nachdenken. Nicht über Bullshit, der dann Bullshit multipliziert. Die Post-Corona Zeit wirft uns alle extrem weit zurück, wie es aussieht. Und ein Grund dafür ist auch dieser ganze Aluhut-Unsinn. Denn mit einer sinnvoller eingesetzten Aufmerksamkeit könnte mehr Gutes erreicht werden.

Auch ohne Aluhut wird’s ungemütlich!

Denn: … auch ganz ohne Impfdiktatur von Bill Gates sieht manch einer bereits ein Jahrzehnt der Verzweiflung nahen. Auch die Folgen eines wachsenden Protektionismus werden wir zu spüren bekommen, wie im Gastbeitrag von Sigmar Gabriel bei der Zeit neben anderen möglichen Folgen beschrieben wird. Die Spannungen zwischen China und den USA sollte man z.B. konkret ernst nehmen - man braucht nichtmal Superschurken für diese Dinge, sondern nur zwei Supermächte, die mitten in Zeiten der Erderwärmung einen neuen kalten Krieg aus ihrem Hut zaubern könnten.

Man kann viele Dinge aufführen, um auf eine mögliche, sehr unentspannte Zukunft hinzuweisen - ganz ohne Verschwörung. Ob also nun eine Verschwörung hinzu käme, ist am Ende also sogar egal. Nicht egal ist, wie wir unsere Aufmerksamkeit verteilen!

Aber wo ist denn eigentlich überhaupt der Nutzen einer Verschwörungstheorie? Ach ja, richtig … - irgendwelche Leute bekommen so ein Maß an Aufmerksamkeit, das sie sonst nicht bekommen hätten. Das zahlt sich für diese Leute sicher aus.

Was mich am meisten daran stört, wenn immer mehr Leute auf Verschwörungstheorien reinfallen: die Energie und Aufmerksamkeit wird den wichtigen Fragestellungen künstlich entzogen. Das ist wie ein künstlich herbeigeführter Brain-Drain!

Dabei wäre z.B. viel wichtiger, den Diskurs um eine Postwachstumsgesellschaft oder zirkuläre Wirtschaft aufrecht zu erhalten, stattdessen tanzen als Hippies verkleidete Mittelstandskinder in München gegen die Corona-Verordnungen. Ich meine, sollen sie halt machen, kann ja auch unterhaltsam sein … Sinnvoller fände ich es allerdings tatsächlich, wenn mehr Zeit, Hirn und Energie dafür eingesetzt würde, die Eindrücke der Corona-Krise in eine echte Weiterentwicklung der Gesellschaft zu überführen. Doch gerade dieser Eindruck entsteht nicht. Resilienz-Konzepte scheinen eher in eine neue Art Rückbau zum Nationalen umgemünzt zu werden, während alle tanzen oder Verschwörungen lesen. Dabei sind aber die Probleme unserer Zeit eben nicht mehr national lösbar und wir bräuchten viel dringender eine stärkere internationale Diskussion und Kooperation. Wichtiger wäre es, für eine internationale Solidarität (auch auf der Straße) einzutreten. Oder mindestens für mehr Solidarität auch innerhalb Europas. Solches demokratisch einzufordern, wäre aus meiner Sicht viel sinnhafter als gegen Auflagen zu tanzen, die juristisch zum großen Teil ohnehin überprüft werden.

Wenn Tanzen und Verschwörungstheorien aber die Antwort der reichen Mittelstandskinder auf die bedrohlich wirkende Zukunft ist, dann sehe ich das als ein echtes Problem an, denn so wird Aufmerksamkeit von echten Fragestellungen abgezogen.

Wichtig wäre es doch, wirklich positive Visionen für die Zukunft zu beschreiben, die dann ja ebenso wie Verschwörungstheorien nun eventuell auf fruchtbareren Boden (als zuvor) fielen und damit eine konstruktive Mobilisierung bewirken könnten. Angst ist auch dann kein guter Ratgeber, wenn es Grund für Befürchtungen gibt. Eine gute Vision für die Zukunft ist das bessere Gegenmittel im Falle von Dystopien. Der, der also wirklich Angst vor düsteren Zukunftsvarianten hat, sollte schnell damit beginnen, eine bessere Story in die Welt zu verbreiten. Dabei möge sie oder er bei Bedarf auch gerne tanzen!

Ganz ohne Aluhut gibt es also enorm viele Themen, die real Aufmerksamkeit benötigen. Themen, für die es sich nicht nur zu tanzen lohnt. Es gibt viele Themen, für die man sich praktisch einsetzen kann, die nicht nur theoretisch befürchtet werden können, sondern bereits jetzt akkut und real sind.

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Also: Aluhut ab und konstruktiv Zukunft gestalten!